12. Februar 2022
Das deutsche Bridge trauert um eine seiner ganz großen Spielerinnen: Waltraud Vogt aus Kassel ist im Alter von 66 Jahren verstorben. Sie prägte den DBV, den Regionalverband Nordhessen und ihren Heimatclub über Jahrzehnte entscheidend mit und war auch auf sportlicher Ebene eine anerkannte und erfolgreiche Persönlichkeit – national wie international.Den Grundstein für ihre beeindruckende Bridge-Karriere legte Waltraud Vogt schon vor mehr als 50 Jahren. 1971 hatte sie an der Volkshochschule ihren ersten Kontakt mit dem Kartenspiel – und Bridge wurde schon bald zu einem wichtigen Inhalt ihres Lebens. Während ihres Jura-Studiums und ihrer kurzen sich anschließenden Anwaltstätigkeit intensivierte sie ihre Bridge-Aktivitäten und konzentrierte sich schon bald sehr stark auf die Kunst, optimal mit den 13 Karten am Tisch umzugehen.
Waltraud Vogt selbst bezeichnete es als großes Glück, dass sie in den 70er-Jahren in Kareen Schroeder „eine erfahrene und sehr gute Damenpartnerin fand“. Vogt - Schroeder spielten bis 1990 zusammen und verbuchten als Höhepunkt ihrer Partnerschaft 1989 den Gewinn der Team-Europameisterschaft im finnischen Turku. Gemeinsam holten sie auch zwei deutsche Meistertitel.
Erfolgreich war Waltraud Vogt auch mit ihren Partnerinnen Pony Nehmert und Anne Gladiator. Nach diversen Partnerschaften mit international bekannten Bridgespielern wie Franz Terraneo (Österreich) und Tommy Sandsmark (Norwegen) lernte sie ihren holländischen Ehemann Loek Fresen in der Wachau kennen und lieben – und beide wurden auch am Bridgetisch ein erfolgreiches Paar.
Die Liste von Waltraud Vogts Erfolgen ist lang. International errang sie neben dem erwähnten Europameistertitel auch die Vizeeuropameisterschaft im Damenteam und Damenpaar 1991 und den Vizeweltmeistertitel im Damenteam 1993. Auf nationaler Ebene stehen 15 Deutsche Meistertitel zu Buche: sechs bei den Damen, vier bei der Mixed-Paar, zwei im Mixed-Team, je einer bei der Open-Paar, Open-Team und Senioren-Paar. Hinzu kommt ein holländischer Meistertitel im Mixed-Paar. Viele Jahre spielte Waltraud Vogt in der 1. Bundesliga, zuletzt lange für Bonn.
Als ausgebildete Bridgedozentin sah Waltraud Vogt ihre Lebensaufgabe vor allem darin, anderen das Bridgespiel näher zu bringen. Davon profitierten besonders ihr Heimatclub und die Region Nordhessen. Die Kasseler Bridge-Gemeinde wählte sie erst im vergangenen Frühjahr für zwei weitere Jahre als Präsidentin des Bridge-Vereins Kassel I. Insgesamt führte sie den Kasseler Verein mehr als 30 Jahre, erstmals zur Präsidentin war sie am 26. November 1990 gewählt worden. Zu diesem Zeitpunkt war die Diplom-Bridgelehrerin bereits 17 Jahre Mitglied im BV Kassel I (Eintrittsdatum: 1. Januar 1973). In Kassel sorgte Waltraud Vogt, als Lehrerin und Turnierleiterin, mit ihrem Fachwissen und ihrer trocken-humorvollen Art für einen bemerkenswerten Aufschwung der anspruchsvollen Denksportart – auch über die Vereinsgrenzen hinaus. All das war Grund dafür, dass der BV Kassel I ihr 2006 die Ehrenmitgliedschaft verlieh.
Neben dem Verein stand Waltraud Vogt auch lange Jahre dem Nordhessischen Bridgeverband vor. Erst im vergangenen Jahr war sie von Christian Dörmer als Präsidentin abgelöst und für ihre Verdienste um den Verband geehrt worden.
DBV-Präsidentin Marie Eggeling spricht von einem großen Verlust für das deutsche Bridge: "Waltraud Vogt war für mich jemand, die einfach immer dabei war, egal ob Bundesliga, Deutsche Meisterschaft oder offenes Turnier. Ich habe in den letzten 20 Jahren, seit ich mit Bridge angefangen habe, viele nette Runden und spannende Boards gegen sie gespielt. Mit ihrem Engagement für das deutsche Bridge hat sie den Verband immer unterstützt. Waltraud wird uns allen fehlen!"
Der langjährige DBV-Präsident Ulrich Wenning denkt ebenfalls mit Respekt und Dankbarkeit an die gemeinsame Zeit mit Waltraud Vogt: „Sie war über viele Jahre ein hoch geschätztes Mitglied unseres Bundesligateams. Genauso intensiv wird mir allerdings die langjährige Zusammenarbeit in meinen Präsidentenjahren mit Waltraud im Beirat des DBV in Erinnerung bleiben. Sie war dort immer eine verlässliche Größe, deren Beiträge jederzeit konstruktiv und zielführend waren.“
Waltraud Vogt machte nicht viele Worte. Markant sind ihre Antworten auf Fragen zu ihrem Lieblingssystem: „Natürlich, mit 4er-Oberfarben“ und ihrem Lieblingspartner: „Mein Ehemann“. Mit Loek Fresen spielte sie seit 1997 alle großen Turniere gemeinsam. Er wird in seiner Trauer nicht allein sein, denn das gesamte deutsche Bridge hat durch den Tod von Waltraud Vogt viel verloren.
Letzte Aktualisierung: 10. Juni 2022